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Wie gelingt uns die Energiewende?
ENERGIE(UN)SICHERHEIT – Was vor wenigen Monaten kaum ein Thema war, beschäftigt heute alle: unsere Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und der zögerliche Ausbau der erneuerbaren Energien. Wie die Weichen neu gestellt werden können.
In der Geschichte der Menschheit haben wir schon so einige Energiewenden erlebt. Von traditioneller Biomasse über Kohle und Öl bis hin zu Kernkraft. Da klingt der Wandel zu einem umweltschonenden Energiesystem basierend auf den erneuerbaren Energiequellen doch prinzipiell machbar. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen stellt sich nur die Frage: Wie schnell?
Wir haben keine Zeit, uns Zeit zu lassen
Vor 20 Jahren lag der Anteil der fossilen Brennstoffe am Gesamtverbrauch bei 87 Prozent. Im Jahr 2022 liegt dieser immer noch bei 83 Prozent. Der kanadische Energieprofessor und Autor Vaclav Smil wird nicht müde, auf diese Realität hinzuweisen. Deshalb stellt er sich die Frage: „Wie sollen wir da innerhalb der nächsten 30 Jahre auf die Zahl Null kommen?“ Hinsichtlich der ambitionierten Netto-Null-Ziele ist das die Gretchenfrage schlechthin. Geht es nach Smil, sollten wir aber weder Zweckoptimismus verbreiten noch dem apokalyptischen Pessimismus erliegen.
Doch vor allem aufgrund des voranschreitenden Klimawandels sollte diese Wende beschleunigt werden. Denn die Erderwärmung hängt von unseren Kohlenstoffemissionen ab, welche heute noch zu 85 bis 90 Prozent aus der Verbrennung fossiler Energieträger stammen. Schon eine globale Erwärmung um mehr als 2 °C hätte verheerende Folgen: Ernährungsunsicherheit, Wasserknappheit, Armut, extreme Wetterereignisse oder Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.
Der Übergang auf ein nachhaltig betriebenes Energiesystem wird jedoch sehr herausfordernd, da ein viel größerer Wandel erforderlich ist, als die geplante Politik derzeit vorsieht.
Subventionen als Bremsklotz für die Energiewende?
63 Prozent der öffentlichen Energie- Finanzierung der G20-Staaten flossen von 2019 bis 2020 in fossile Brennstoffe.
Die Subventionen für fossile Brennstoffe haben sich von 2021 bis 2022 fast verdoppelt.
Gemäß einer Analyse der OECD und der internationalen Energieagentur (IEA) haben sich die Subventionen im Jahr 2021 sogar fast verdoppelt. Auch 2022 hat die Gruppe der zwanzig wichtigsten Industrieländer die Förderungen deutlich erhöht –Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat diese Umstände kurzfristig weiter verschärft. Trotz jüngster Fortschritte bei erneuerbaren Energien verschleppen diese Subventionen das Tempo der Energiewende.
Es braucht mehr als nur ein paar Windräder
Seit Kriegsbeginn in der Ukraine hat die EU mehr Strom aus Wind und Sonne generiert als je zuvor. Fakt ist: Der Preis für Solarstrom ist in den letzten 10 Jahren um 80 Prozent gesunken. Die Solarenergie hat im Jahr 2020 derart tiefe Preise erreicht, wie sie Experten wie Ramez Naam nicht vor 2035 erwartet hätten. Es wird also zunehmend billiger, Solar- statt neue fossile Kraftwerke zu bauen.
Die Lösung wird jedoch nicht darin liegen, einfach alles, was wir bisher mit Kohle und Gas erzeugt haben, durch Wind und Sonne zu ersetzen. Denn unser Strombedarf wird künftig neue Dimensionen erreichen – beispielsweise durch die Wärmeerzeugung oder den Verkehr. Neben politischem Willen und gesellschaftlicher Akzeptanz braucht es technische Lösungen wie ,Power-to-X’, ,Demand Side Management’ oder ,Smart Grid’ für Energiespeicherung, -steuerung sowie -umwandlung. Ein effizienterer Umgang mit produzierten Stromüberschüssen wird unausweichlich sein.
Auch Pioniergeist braucht es weiterhin. Das Schweizer Start-up Insolight könnte mittels innovativer Solarzellen mehrere Probleme lösen. Platzsparend werden die Solarmodule über Agrarflächen angebracht, dienen als Beschattungssysteme sowie Hagelschutz und erzeugen zeitgleich Strom. Wäre nur ein Prozent europäischer Agrarfläche mit ,Agrivoltaik’ überzogen, könnten 25 Prozent des kontinentalen Stromverbrauchs gedeckt werden.
100 Prozent erneuerbare Energien – alles eine Frage des Preises?
Ein Energiesystem, welches zu 100 Prozent auf erneuerbaren Energien basiert, hat sich inzwischen zum wissenschaftlichen Mainstream entwickelt. Professor Christian Breyer von der Universität LUT in Finnland erkennt eine schnell wachsende Zahl von Forschenden, die dieses Szenario – das wesentlich billiger ist – bis 2050 für realisierbar halten. Nach Brian V. Mathiesen von der Universität Aalborg müssten nun neue Investitionen in fossile Brennstoffe gestoppt werden, sodass wir uns auf die Schaffung intelligenter Energiesysteme konzentrieren können.
Auch die Kapital- und Finanzmärkte spielen eine zentrale Rolle. Denn schon heute sind die Kapitalkosten für den Bau der ,Low Carbon’-Infrastruktur um mehrere Prozentpunkte niedriger als beispielsweise für ein Kohlekraftwerk. Das weckt berechtigte Hoffnung für ein Gelingen der Energiewende bis 2050.
DIE GLOBALANCE-SICHT
Die Klimakrise ist für den Finanzmarkt zunehmend relevant: Ausgehend von der Risikoperspektive, ist es wichtig, Sektoren bzw. Unternehmen zu meiden, die das Klimaproblem wesentlich mitverursachen oder von fossilen Brennstoffen abhängig sind. Diese Sektoren stehen zunehmend unter politischem, gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Druck. Nur mit marginalen Anpassungen erreichen wir die notwendige Transformation nicht. Regulatorische Änderungen, die offensichtlich notwendig sind, müssen von der Politik kommen – während sich auch Unternehmen für universelle, verbindliche Maßnahmen einsetzen müssen. Statt Lobbyismus und fehlgeleiteter Unterstützung benötigen wir Subventionen für saubere Technologien. Globalance legt den Fokus u. a. auf vielversprechende Unternehmen, die in den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energieinfrastruktur, smarte Energieverteilung- und -speicherung innovative Produkte oder Dienstleistungen entwickeln.
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