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Kostenwahrheit

Die neue Realität

Freie Güter wie Luft, Seen, Flüsse oder Wälder kennzeichnen sich dadurch, dass sie in nahezu unverbrauchbaren Mengen vorhanden sind und laut Definition für alle kostenlos zur Verfügung stehen. So lernen das Wirtschaftsstudierende. Aber wer kommt dafür auf, wenn an den „freien“ Gütern Umweltschäden entstehen?

Bezahlt die Fabrik, welche Abwasser in einen Fluss leitet, die notwendige Trinkwasseraufbereitung oder werden die externalisierten Kosten auf die Gesamtgesellschaft übertragen? Die Debatte über Kostenwahrheit und das Verursacherprinzip werden in der nachhaltigen Entwicklung unumgänglich sein und bilden häufig den Konflikt zwischen Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft ab.

Die Natu(h)r zeigt kurz vor 12

„Die biologische Vielfalt und die Beiträge der Natur für die Menschen sind unser gemeinsames Erbe und das wichtigste lebenserhaltende Sicherheitsnetz der Menschheit. Aber unser Sicherheitsnetz ist fast bis zum Zerreißen gespannt.“ — Prof. Sandra Diaz (Vorsitz IPBES).

Die Hälfte der 560 Wildbienen-Arten sind bedroht oder gar schon ausgestorben. Monokulturen verändern natürliche Ökosysteme und minimieren den Lebensraum sowie die Nahrungsvielfalt erheblich. Auch der landwirtschaftliche Einsatz von Pestiziden trägt beträchtlich zur Minderung bei. Dabei stellen gerade Bienen die wichtigste Arbeitskraft der Agrikultur dar. 75 Prozent der weltweit angebauten Getreidearten und ein Drittel der Nahrungsmittelproduktion hängen von ihrer Bestäubung ab. Ohne die fleißigen Bienchen bliebe das Heranreifen von Obst und Gemüse zum größten Teil aus. Der wirtschaftliche Nutzen der Insektenart wird weltweit auf 153 Mrd. Euro geschätzt. Jede Art spielt in ihrem Ökosystem eine eigene Rolle. Böden als Grundlage unserer Nahrungsmittel wären ohne Regenwürmer nicht vorstellbar. Wälder bieten nicht nur Lebensraum für viele Tierarten, sondern auch den Sauerstoff, den wir zum Atmen brauchen. Je höher die Vielfalt der Insekten, Bakterien und Pilze, desto besser gedeihen die Pflanzen, die wir essen. Aus der Biodiversität ergibt sich ein erheblicher wirtschaftlicher Wert, der anhand der Ökosystemleistung schier unermesslich ist.

Rechnung von heute oder Quittung für morgen?

Wären die Preise von Bioprodukten konkurrenzfähiger, wenn die konventionelle Landwirtschaft „versteckte“ Zusatzkosten übernehmen müsste? Vermutlich schon. Der Einsatz synthetischer Düngemittel und Herbizide wirkt sich auf viele Umweltschäden aus, findet indessen aber keine ausreichende Berücksichtigung bei der Berechnung der Lebensmittelpreise. Hingegen bildet die Biolandwirtschaft einen realistischeren Preis, welcher bereits soziale und ökologische Kosten berücksichtigt. Laut einer Studie der Vision Landwirtschaft übernehmen Konsumenten nur die Hälfte der Kosten der Schweizer Landwirtschaft in Höhe von CHF 15,9 Mrd. Der Rest wird durch staatliche Subventionen und die Allgemeinheit ausgeglichen, die unfreiwillig von Umweltbelastungen betroffen ist. Anreizmodell Fehlanzeige?

Auf dem Trittbrett fährt sichs günstig

Der Wirtschaftsnobelpreisträger William Nordhaus und zahlreiche Ökonomen erkennen zu viele Klimaschutz- Trittbrettfahrer*innen. Die zukünftigen Schäden sollen wissenschaftlich geschätzt und den heutigen Emittenten ausnahmslos über eine CO2-Steuer in Rechnung gestellt werden. Das könnte Konsumenten und Produzenten die richtigen Anreize geben, Emissionen zu mindern und klimafreundliche Technologien zu entwickeln. So hat z. B. die Swiss Re Anfang 2020 als erstes multinationales Unternehmen freiwillig ihre internen CO2-Abgaben im dreistelligen Dollar-Bereich eingeführt. Die Förderung der Kostenwahrheit und die Einhaltung des Verursacherprinzips können in Zukunft eine Möglichkeit sein, die Waage zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg einer Volkswirtschaft und dem Umweltschutz ins Gleichgewicht zu bringen. Die soziale Gerechtigkeit würds freuen!

Finanzierung der eigenen zerstörung

Die von den USA an die Produzenten fossiler Brennstoffe gewährten Subventionen betragen etwa 20 Mrd. USD und für Europa ca. 55 Mrd. Euro. Paradox — Länder, die allesamt das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, fördern eine Industrie, welche für 65 Prozent der weltweiten Klimagasemissionen verantwortlich ist. Laut Internationalem Währungsfonds hätten die Emissionen ohne diese Zuschüsse 28 Prozent niedriger sein können. Statt Lobbyismus und fehlgeleiteter Unterstützungen brauchen wir hohe Subventionen für eine erfolgreiche Energiewende und saubere Technologien für eine blühende Zukunft.

Die Was-wäre-wenn-Frage

Marktineffizienzen sind langfristig nicht tragbar. Früher oder später muss sich jedes Geschäftsmodell der Realität stellen. Deshalb denken erfolgreiche Anleger*innen voraus: Was wäre mit dieser Aktie, wenn eine Tonne CO2 verbindlich USD 100 kostet? Der Globalance Footprint® hilft als Kompass — positive Footprint-Unternehmen sind gut auf eine Veränderung der Rahmenbedingungen vorbereitet, negative gilt es jedoch zu meiden.